Vor einigen Jahren hatte ich einen Streit in der Beziehung, wie er bei so vielen Paaren typischerweise vorkommt. Heute würde mir das nicht mehr passieren.

Wir sind im Auto, ich fahre, er ist Beifahrer (ich weiß schon, warum heute ich lieber Beifahrerin bin). Wir fahren auf eine Ampel zu. Die Ampel schaltet auf Rot. Ich fange an zu bremsen und gleichzeitig sagt mein Partner: „Es ist rot.“

Ich bin stinksauer, fühle mich angegriffen und fauche zurück „das weiß ich selber“. Ab da war die Stimmung im Eimer, ich war auf 180.
Was war passiert? Warum habe ich so heftig reagiert? Wie ich in meiner späteren Reflektion herausgefunden habe, ist etwas passiert, das so häufig bei einem Konflikt in Beziehungen passiert: 

Ich habe seine Aussage ganz anders aufgenommen, als er es möglicherweise gemeint hat. Was bei mir nämlich ankam war: „Du kannst nicht Autofahren, Frau.“ und auch ein bisschen: „Du bist unfähig.“ Und darauf habe ich reagiert. Dabei hat er das nie gesagt.

Was hat er wirklich gesagt? Das 4-Ohren-Modell

Oft bricht Streit in der Partnerschaft wegen kleinen Auslösern aus. Das Beispiel mit dem Paar an der Ampel scheint tatsächlich so häufig vorzukommen, dass es oft als Erklärungsbeispiel für das 4-Ohren-Modell benutzt wird.

Am Ende weiß man noch nicht einmal mehr, warum man so schnell an die Decke gegangen ist. Oder man weiß zwar, warum man sauer war, denkt sich aber im Nachhinein, das war es nicht wert.

In solchen Fällen, lohnt es sich, den Paarkonflikt einmal mit dem 4-Ohren-Modell von Friedrich Schulz von Thun zu reflektieren. Denn vielleicht ist die Nachricht einfach ganz anders angekommen als sie gemeint war. Kommunikation bei Paaren ist kein leichtes Thema und abhängig von vielen Faktoren, durch die es auch oft zu Missverständnissen kommt.

Zu oft nehmen wir an, dass die Nachricht unseres Partners genau so gemeint war, wie wir sie aufnehmen. Und lassen uns von dieser Wahrheit auch nicht abbringen. Doch das ist nicht immer der Fall, denn bei jedem Menschen kommen Aussagen gefiltert durch die eigenen Glaubenssätze an. Und das kann vieles verfälschen.

Das 4-Ohren-Modell gliedert eine Aussage in vier verschiedene Bedeutungsebenen auf. So wird deutlich, dass der Sender auf einer anderen Ebene gesendet haben könnte, als die Nachricht beim Empfänger ankam.

Hier sind die vier Ebenen (oder „Ohren“) anhand meines Beispiels erklärt:

1. Sachebene

Die erste Ebene ist die Ebene, auf der es wirklich nur um den Austausch von Sachinformationen geht, ohne Emotionen. Es geht also wirklich nur darum mitzuteilen, dass die Ampel auf Rot umgeschaltet hat, ohne weitere Bedeutung oder Hintergedanken.

2. Die Appellebene

Hier wird es schon schwieriger, diese Ebene ist tatsächlich oft eine, die zu Streit in der Beziehung führt. Die Appellebene beinhaltet eine Anweisung oder einen Auftrag an den Empfänger, also im oberen Beispiel so etwas wie „Brems endlich!“

4 Ohren Modell bei Streit in der Beziehung

3. Die Beziehungsebene

Auf der Beziehungsebene könnte die Aussage „Die Ampel ist rot.“ aber auch völlig anders interpretiert werden, in etwa: „Du kannst nicht Autofahren. (Und deswegen muss ich dich darauf hinweisen, dass du gerade einen Fehler machst.)“ Und das war ja auch, wie ich es aufgefasst habe. Dabei hat er es nie so gemeint.

Außerdem könnte die Aussage bedeutet haben: „Ich will ihr einfach helfen und es ihr ein bisschen leichter machen.“ Sehr, sehr oft ist das tatsächlich sogar der Fall. Männer wollen ihren Frauen helfen und ihr Leben leichter machen.

Doch Frauen fühlen sich von Hilfeangeboten angegriffen, obwohl damit nie gemeint war, sie wären nicht fähig es selbst zu tun. Sie schlagen Hilfe von ihren Partnern aus oder gehen an die Decke, was der Beziehung schadet.

Auf der Beziehungsebene geht es also darum, wie Sender und Empfänger zueinander stehen. Ob einer über dem anderen steht oder sich über ihn stellt. Es geht viel um Bewertung und Wertschätzung vs. Abwertung.

Es gibt es also durchaus mehrere Interpretationsmöglichkeiten einer Aussage auf derselben Ebene.

4. Die Selbstkundgabe

Das ist meiner Ansicht nach oft die Ebene, die Menschen viel zu wenig auf dem Schirm haben. Oft sehe ich, dass Frauen getroffen sind, wegen einer Aussage, die jemand anders über sie trifft, weil sie es sofort auf sich beziehen.

Tatsächlich hat aber das Gesagte oft mehr mit der Person zu tun, die es sagt, als mit der Person, über die gesprochen wird. Und daher kommt es gerade bei Frauen vor, dass sie unnötigerweise und auch unverhältnismäßig verletzt sind. Weil sie etwas auf sich beziehen, das nichts mit ihnen zu tun hat. Das ist die Ebene der Selbstkundgabe, also: Was sagt der Sender mit seiner Aussage über sich selbst aus?

In unserem Beispiel könnte das sein „Ich habe mich erschrocken, weil die Ampel (für mein Empfinden) so plötzlich auf Rot umschaltet.“ „Ich hatte Angst, wir könnten es nicht mehr rechtzeitig schaffen, zum Stillstand zu kommen.“ oder auch „Ich habe immer etwas Angst, wenn ich Beifahrer bin, weil ich nicht die Kontrolle über das Auto habe.“

Die Herausforderungen bei Unstimmigkeiten in der Paarkommunikation: Beziehungs- und Appellebene

Die beiden Ebenen, die bei einem Streit in der Beziehung häufig problematisch werden, sind die Beziehungs- und die Appellebene. Mit der Sachebene und der Ebene der Selbstkundgabe gibt es eher seltener Probleme.

Auf der Beziehungsebene fühlen wir uns oft verletzt oder getriggert, weil leicht eine Be- oder Abwertung beim Empfänger ankommt. Bewertungen suggerieren einem, man hätte in den Augen des Partners etwas falsch gemacht. Dann fühlen Frauen sich schnell „nicht gut genug“ und davon ist es nicht mehr weit zu: „Ich liebe dich nicht mehr (weil du nicht gut genug bist)“.

Auf der Appellebene gibt es Probleme, weil wir es so empfinden, dass uns jemand Vorschriften macht oder Anweisungen gibt. Das triggert leicht, denn niemand wird gerne herumkommandiert.

Oder es könnte auch sein, dass jemand den Anweisungen gerne Folge leisten würde, aber das Gefühl hat, es nicht tun zu können. Weil es nicht in der eigenen Macht steht, weil nicht die Zeit oder die Methoden/Werkzeuge da sind. Oder einfach, weil wir nicht wissen wie.

Beziehungsstreit
Foto von Jonathan Borba auf Unsplash

Um den Beziehungsstreit zu lösen, braucht es Offenheit

Wenn du dich also das nächste Mal angegriffen fühlst, reflektiere, was der andere auf den vier verschiedenen Ebenen damit gemeint haben könnte. Und gehe notfalls auch mit dem Partner ins Gespräch und überprüfe die eigene Annahme noch einmal, indem du fragst: „Ich verstehe das so, hast du das auch so gemeint?“

Im Coaching erlebe ich oft Frauen, die sich selbst unnötig verletzen, indem sie von ihrer Interpretation der Situation nicht abweichen wollen. Obwohl ihr Partner (oder ich) ihnen versichern, dass ihre Wahrnehmung nicht der Realität entspricht. So etwas macht Beziehungen kaputt.

Um einen Beziehungsstreit zu klären und zu lösen, ist es nötig, offen zu sein und wenn nötig ins Gespräch zu gehen. In Partnerschaften geht es darum, gnädiger miteinander zu sein und nicht sofort das Schlechteste anzunehmen, sondern eher das Beste. Es ist wichtig dem Partner wohlwollend zu begegnen und ihn nicht zu bekämpfen wie einen Feind.

Denn es gibt immer eine negative Interpretation einer Aussage oder eines Verhaltens. Wenn wir unsicher sind, neigen wir dazu, immer das Negativere anzunehmen und als wahr anzusehen.

Gerade Menschen, die viel Negatives in Beziehungen erlebt haben und traumatisierte Menschen neigen zu negativem Denken. Was auch verständlich ist, sie sehen in Vielem schnell den Feind, weil Ihnen Urvertrauen in Beziehungen fehlt.

Auch wenn es menschlich ist, das zu tun, ist es der Beziehung absolut nicht zuträglich. Denn wo ständiges Misstrauen ist, kann keine Beziehung entstehen. Dazu braucht es Vertrauen von beiden Seiten und dieses Vertrauen muss freiwillig gegeben werden. Das 4-Ohren-Modell ist eine Möglichkeit, eine wohlwollendere Perspektive einzunehmen.

Wie ich eingangs geschrieben habe, würde mir ein Streit mit meinem Partner wegen einer solchen Kleinigkeit, inzwischen nicht mehr passieren. Weil ich meine Wahrnehmungen und Interpretationen überprüfe. Ich bin auch bereit, von meiner Position abzuweichen, wenn mein Partner mir versichert, dass er es nicht böse gemeint hat.

Wenn du Konflikte in der Beziehung mit deinem Partner hast, die du auflösen möchtest, ist das am besten in einem Coaching möglich.

Alles Liebe,

deine Caroline

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Beziehungscoach Caroline Höchtl
Caroline Höchtl

Beziehungs- & Singlecoach

Ich bin ausgebildeter und zertifizierter Life Coach und Bloggerin über alles zum Thema Beziehungen und Weiblichkeit. 

Ich arbeite mit Frauen, die durch Verbindung mit ihrer Weiblichkeit die Beziehung zu ihrem Partner verbessern wollen oder einen Partner anziehen wollen.

Ich lebe eine sehr glückliche und erfüllte Beziehung mit meinem Partner.

Titelbild: Foto von Christin Hume auf Unsplash

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