Angst vor Nähe ist dasselbe wie Bindungsangst oder Angst vor Intimität. Sie alle bezeichnen dasselbe Problem: Man traut sich aus Angst verletzt zu werden, nicht andere Menschen nah an sich heranzulassen. Es zeigt sich in allen sozialen Beziehungen, auch in Freundschafts- oder Arbeitsbeziehungen, aber am stärksten in Liebesbeziehungen. Auf diese soll sich dieser Artikel auch konzentrieren.

Warum hat man Angst vor Nähe?

Eigentlich ist Nähe zu anderen Menschen etwas Schönes. Als Kinder brauchen wir sie zum Überleben genauso wie Essen. Kinder, die nie in den Arm genommen werden, sterben tatsächlich an dem Mangel an Kontakt zu anderen Menschen, wie man herausgefunden hat.

Wie kommt es dann dazu, dass erwachsene Personen Angst vor Nähe und Bindung entwickeln? Bindungs- oder Beziehungsangst ist sehr vielschichtig, im Folgenden gliedere ich sie in unterschiedliche Aspekte auf:

Die Angst verletzt zu werden

Die Angst vor Verletzungen kommt von Kindheitserfahrungen, in denen wir schon einmal abgelehnt und verletzt wurden. Von den Eltern, Freunden in der Schule oder auch im Teenageralter durch die ersten Erfahrungen mit Beziehungen.

Jeder von uns hat solche Erfahrungen nicht nur einmal, sondern mehrmals in seinem Leben gemacht. Aber es ist unterschiedlich, wie stark es jemanden prägt und wie destruktiv es sich auf die Bindungsfähigkeit auswirkt.

Bei mir hat sich diese Angst vor Nähe damals gebildet, als ich als Teenager plötzlich nach 3 Tagen Beziehung fallengelassen wurde. Gerade nachdem ich mich sicher und angekommen gefühlt habe, wurde die Beziehung beendet. Daraufhin hat mein System beschlossen, mich nie wieder in eine solche Situation zu bringen, in der ich so massiv verletzt werden kann.

Es ist nachvollziehbar, dass wir uns unterbewusst davor schützen wollen, solche Enttäuschungen und Verletzungen noch einmal zu erleben. Und jemanden gar nicht erst so nah an uns heranzulassen, dass er uns verletzen kann, ist der beste Schutz.

Die Angst, nicht gut genug zu sein

Diese Angst resultiert aus Erfahrungen, in denen ein Kind abgelehnt wurde, meistens ebenfalls durch die Eltern: Wenn ein Kind abgelehnt wird, kann es nicht differenzieren, ob Mutter oder Vater zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt sind, und es deswegen ablehnen. Das Kind denkt, dass es an ihm liegen muss. 

Es schlussfolgert, dass es nicht liebenswert sein muss. Dass irgendetwas mit ihm grundlegend verkehrt ist, wenn nicht einmal seine eigenen Eltern es lieben. Und dass das der Grund für die Ablehnung ist.

Welche Glaubenssätze bildet ein Kind dann über sich selbst? „Ich bin nicht richtig, so wie ich bin. Ich bin nicht gut genug. Es liegt an mir, dass andere Menschen mich nicht mögen. Ich bin falsch und kein liebenswerter Mensch. Wenn nicht einmal die Eltern mich lieben, wird niemand mich mögen.“

Wenn ein Mensch dann einmal davon überzeugt ist, nicht liebenswert zu sein und sich im Erwachsenenalter mit Partnersuche beschäftigt, setzt sich das fort: Wann immer eine andere Person emotional nah kommt, wird diese Angst wieder getriggert. Der andere könnte merken, wenn er mich besser kennenlernt, wie wenig liebenswert ich wirklich bin. Wenn er erst einmal mein wahres Ich kennenlernt, wird er sehen, dass ich nicht schön genug, nicht intelligent genug etc. bin.

Es kommen alle negativen Glaubenssätze, die wir über uns selbst haben, hoch. Ohne, dass dies manchmal so bewusst ist. Meistens ist es nur ein unglaublich starkes Gefühl, weglaufen zu wollen oder die andere Person schlecht machen zu wollen.

Denn wenn wir an der anderen Person viele Fehler finden, haben wir einen Grund, Distanz herzustellen oder die Beziehung ganz abzubrechen. Und darum geht es: Die anderen wieder auf Distanz zu bringen, sodass er nicht erkennen kann, dass man eigentlich nicht wertvoll ist und einen deswegen ablehnen wird. Erst dann fühlt sich jemand mit Bindungsangst wieder sicher.

Eine Person mit Angst vor Nähe lebt in ständiger Befürchtung, sie könnte wieder abgelehnt werden. Deswegen versucht sie dies zu vermeiden, indem sie andere gar nicht erst an sich heranlässt. Oder indem sie jemanden ablehnt, bevor er sie ablehnen kann.

Je näher (emotional) eine Person kommt, desto stärker meldet sich die Angst vor Intimität und es wird versucht die Person wieder auf Distanz zu bringen. So ergeben sich auch die für Bindungsangst typischen Muster des Schwankens von starker Nähe und starker Distanz: Auf Zeiten der Nähe folgt immer wieder ein starker Rückzug.

Angst vor Nähe
Foto von Pavel Badrtdinov auf Unsplash

Die Angst, vom Partner vereinnahmt zu werden

Dies ist der Fall, wenn der Glaubenssatz verinnerlicht wurde, dass Beziehung bedeutet, die eigenen Bedürfnisse vernachlässigen zu müssen. Ist man davon überzeugt, hat man nicht gelernt gleichzeitig in Beziehung zu sein und sich dabei selbst nicht zu verlieren. Häufig werden dann die Bedürfnisse des Partners so sehr vor die eigenen gestellt, dass einem nicht mehr bewusst ist, was man selbst will.

Auch hierfür ist die Ursache in der Kindheit und der Beziehung zu den Eltern zu suchen. Als Kind haben sie gelernt, dass sie sich den Erwartungen der Eltern anpassen müssen, um geliebt zu werden, gerade was Nähe und Distanz angeht.

Wenn die Mutter beispielsweise das Kind brauchte um sich nicht alleine zu fühlen, spürt das Kind, dass jedes Autonomiebestreben nicht gut ankommt. So lernt es den Drang, nach seinem eigenen Bedürfnis zu gehen, zu unterdrücken, weil es sonst die Liebe der Mutter verlieren würde.

Gerade dieses Thema „meine Bedürfnisse vs. deine Bedürfnisse“ zeigt sich auch später in Paarbeziehungen immer wieder. Im Coaching sehe ich, dass viele Frauen dann nur zwei Möglichkeiten kennen um mit unterschiedlichen Bedürfnissen beider Partner umzugehen:

Entweder Durchsetzung oder Unterwerfung. Dies auf Augenhöhe und mit Liebe mit dem Partner auszuhandeln, kennen sie nicht. Das Problem dabei ist, wenn Frauen in den Durchsetzungsmodus mit Männern gehen, entsteht ein Machtkampf, bei dem sie nur verlieren können.

Es gibt zwei mögliche Szenarien was dann passiert und beide schaden der Verbundenheit und damit der Beziehung:

1. Die Frau setzt sich durch, damit hat sie zwar in der Sache gewonnen. Aber auf Beziehungsebene verloren. Wenn sie sich mit Druck gegenüber ihrem Mann durchsetzt, entmännlicht sie ihn. Das hat fatale Auswirkungen auf die so wichtige Polarität in einer Beziehung. Entweder er wird mit der Zeit immer passiver oder er wird ab da auch seine Bedürfnisse mit Druck ihr gegenüber durchsetzen. Das fühlt sich nicht schön an für eine Frau.

2. Oder – und das ist die wahrscheinlichere Variante – sie verliert den Machtkampf, weil Männer einfach besser darin sind, sich durch Dominanz durchzusetzen. Dafür braucht es männliche Energie und davon haben Männer einfach mehr. Damit fühlt sie sich nicht gesehen und ohnmächtig in der Beziehung.

Daher ist es wichtig zu lernen, gar nicht erst in Machtkämpfe mit dem Partner zu kommen. Wenn Polarität in der Beziehung herrscht, ist es absolut möglich Bedürfnisse ohne Machtkämpfe auszuhandeln.

Sonderfall: Toxische Beziehungserfahrungen in der Vergangenheit

Ein Sonderfall, den ich häufig auch im Coaching immer wieder erlebe, ist eine starke Angst vor Nähe nach einer toxischen Beziehung in der Vergangenheit. Gerade Frauen, die Partnerschaften mit Narzissten oder anderen Männern, die sie nicht gut behandelt und ausgebeutet haben, hinter sich haben, entwickeln dies zum Selbstschutz.

Nachdem sie sich mühsam aus einer toxischen Beziehung gerettet haben, wollen sie auf keinen Fall noch einmal so abhängig von einer missbräuchlichen Person werden. Die Angst vor Intimität entwickelt sich zum Selbstschutz.

Das Navigationssystem für Anziehung ist fehlgeleitet bei Bindungsangst

Im Inneren einer Person mit Angst vor Nähe, ist die Angst, verletzt zu werden größer als die Angst, keinen Partner zu finden. Deswegen ist bei Angst vor Bindung sozusagen das innere Navigationssystem, das entscheidet, ob Anziehung zu einer Person entsteht oder nicht, fehlgeleitet.

Das Ziel dieses Navigationssystems ist nicht länger emotionale Nähe zu anderen Menschen aufzubauen, sondern Schutz. Schutz vor Verletzung. Das ist jetzt die aller oberste Absicht. Danach sucht dieses interne System Menschen aus, für die es sich interessiert, was sich dann in Form von Anziehung zeigt.

Es sucht also nicht danach aus: „Wer tut mir gut? Mit wem kann ich glücklich sein? Wer behandelt mich gut und lässt sich an mich heran? Mit wem kann ich eine tiefe emotionale Bindung aufbauen?“ sondern „Wer wird mir im kleinsten Maße emotional gefährlich? Wer wird mich am wenigsten verletzen können?“

Und das sind natürlich die Männer, die selbst auf Distanz bleiben und mit denen es letztendlich – was eine ernsthafte Beziehung angeht – nicht klappen kann. Es sind emotional unverfügbare Männer, Männer, die Bindungsangst haben, vergebene Männer oder Männer die keinen Platz für eine Partnerin in ihrem Leben haben.

Das geschieht unterbewusst. Das Bewusstsein weiß meistens nicht, dass es mit dem Mann, für den sich die Frau interessiert, gar nicht klappen kann. Vielleicht denkt sie das konnte sie noch nicht von dem Moment an, erkennen, indem sie angefangen hat, sich für ihn zu interessieren.

Ich behaupte doch, das Unterbewusstsein ist auch hier viel stärker. Im Coaching zeige ich Frauen, die ihre Angst vor Intimität überwinden wollen, auf, wie sie das schon im Voraus erkennen.

Beziehungsangst wird immer vor einer Verletzung schützen, auch wenn dies bedeutet, dass es nie zu einer Beziehung kommt. Denn Beziehung bedeutet ja verletzt zu werden. Und das tut diese Angst sehr zuverlässig und erfolgreich. Man könnte auch sagen, dieses innere Navigationssystem hat die Aufgabe eine ernsthafte Partnerschaft zu verhindern, weil es so am besten vor Verletzung schützen kann.

Oder – was ich auch sehr häufig sehe, ist – dass es zwar zu einer Beziehung kommt, diese aber sehr oberflächlich ist. Auch in Beziehungen die von vielen Beziehungsabbrüchen, Trennungen und Beziehungskrisen gekennzeichnet sind, haben oft einer oder beide Partner Angst vor Nähe.

Angst vor Intimität
Foto von JD Mason auf Unsplash

Was also tun bei Angst vor Bindung?

Der Teil in einer Person, der sich aber sehr wohl Nähe und Beziehung wünscht, existiert auch parallel dazu. Doch er kann sich nicht durchsetzen, denn evolutionär ist es so, dass Ängste mächtiger sind als Wünsche. Dadurch leiden viele Frauen (und Männer) auch sehr unter der Beziehungslosigkeit.

Das stammt noch aus Zeiten, in denen wir uns vor Säbelzahntigern retten mussten. Auf die Angst vor dem Tiger zu reagieren war damals das Allerwichtigste. Stattdessen stehenzubleiben und Beeren von einem Strauch zu pflücken, hätte uns das Leben gekostet. Die Angst musste oberste Priorität haben.

Angst vor Nähe loszulassen ist absolut möglich. Ich begleite Frauen durch diese Entwicklung und kann immer wieder aufzeigen, wo die Angst am Steuer sitzt und Beziehung untergräbt. Es ist jedoch meistens sehr schwierig, dies alleine zu schaffen.

Tolle Bücher wie „Vom Jein zum Ja“ und andere von Stefanie Stahl können helfen die eigenen Muster und blinden Flecken zu erkennen. Doch meistens sind die Abwehrmechanismen so stark, dass es immer wieder zum Selbstboykott kommt, selbst wenn man das Problem verstanden hat. Besonders wenn die Bindungsangst stark ausgeprägt ist (auch die Ausprägung, zeigt dir dieser Test hier auf).

Tatsächlich anders zu handeln und durch die Angst durchzugehen um eine glückliche Beziehung zu erreichen, gelingt besser mit Begleitung. Im Coaching bei Bindungsangst geht es darum zu lernen:

– Ein besseres Selbstwertgefühl und mehr Selbstliebe zu entwickeln, und nicht mehr auf unterbewusster Ebene von sich zu denken man wäre nicht liebenswert.

– Zu lernen, wann es gesund ist, dem eigenen Gefühl zu folgen. Wann man wirklich kein Interesse hat oder wann es die Beziehungsangst ist, die einen leitet.

– Vergangene Verletzungen durch innere Kind Arbeit zu heilen, die einen davon abhalten sich auf jemanden einzulassen.

– Das interne Navigationssystem auch umzuprogrammieren, Anziehung für gute, verfügbare Männer zu entwickeln und nicht für diejenigen, mit denen es nicht klappen kann.

– Zu lernen das eigene Bedürfnis nach Nähe und Distanz auszubalancieren. Dies geht oft Hand in Hand damit, bessere Grenzen zu entwickeln und seine Bedürfnisse kommunizieren zu können, ohne den Partner vor den Kopf zu stoßen.

– Zu lernen, sich selbst die Sicherheit zu geben, sich auf jemanden einzulassen und sich selbst auffangen zu können, sollte es nicht klappen. Dies geschieht durch eine bessere Beziehung zu sich selbst.

Wenn du dir auf diesem Weg einfühlsame Unterstützung wünschst, von jemandem, der den Weg kennt, melde dich gerne bei mir.

Alles Liebe,

deine Caroline

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Beziehungscoach Caroline Höchtl
Caroline Höchtl

Beziehungs- & Singlecoach

Ich bin ausgebildeter und zertifizierter Life Coach und Bloggerin über alles zum Thema Beziehungen und Weiblichkeit. 

Ich arbeite mit Frauen, die durch Verbindung mit ihrer Weiblichkeit die Beziehung zu ihrem Partner verbessern wollen oder einen Partner anziehen wollen.

Ich lebe eine sehr glückliche und erfüllte Beziehung mit meinem Partner.

Foto von Clay Banks auf Unsplash

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